Thematiken von Absurdität und Kränkung

Das nachträgliche Entscheiden für das Spielen einer Persona, obwohl man schon selbst durchschaut hat, dass diese Persona eine Lüge ist.

Man hat ein „hartes Statement“ gemacht und sich gegenüber einer anderen Person distanziert. Man kann nun nicht mehr zurückrudern, denn das wäre ein Verlust der eigenen Würde und man plant und wägt ab, was der anderen denken könnte, wenn man nun so oder so antworten würde oder seine Haltung/Meinung nachkorrigieren und nachjustieren würde. Dieses „harte Statement“ hat man jedoch aus einer Position der Schwäche heraus gemacht und sich kurze Zeit selbst vorgemacht, dass es das authentische Selbst ist. Insofern ist es so, dass man zeitweise und zwar aus anderen Gründen eine Haltung/Meinung annimmt die nicht die eigene ist, es kommt einem jedoch in diesem Moment der Kränkung oder Abweisung so vor als wäre es die eigene.

Nun denkt man (der Liebende) nachträglich, wie er damit umgehen kann dass er sich nicht mehr mit dieser Haltung/Meinung identifizieren kann, wissend dass das Geliebte Subjekt Wert darauf legt, wenn sich jemand mit einer klaren Haltung/Meinung offenbart.

 

Man denkt: „ich habe mich selbst durchschaut – Ich weiß, dass ich gar nicht mehr diese Meinung/Haltung habe, aber was ist schöner nach dem Verlust des Kontakts, in den vielen Jahren die noch kommen werden? Ist es schöner, wenn ich nun eine jämmerliche Szene mache und mich dem Anderen als bedürftig im Bezug auf seine Bestätigung zeige, oder wenn ich bei dieser Meinung/Haltung bleibe obwohl sie mittlerweile nicht mehr authentisch ist.“.  Der Liebende nimmt in seinem Unterbewußten wahr (er verdrängt es normalerweise), dass es ihm Kummer bereitet, dass er als Lügner in „die Geschichte“ eingeht. Er denkt an die Zukunft, in welcher das Geliebte Subjekt ihn anhand seiner gemachten Aussagen einschätzen wird und er wird dann immer als derjenige Mensch in Erinnerung bleiben, der diese spezifische Meinung/Haltung hat. Es fühlt sich beschämend für ihn an, nicht authentisch gegenüber dem Geliebten Subjekt zu sein (in der Zukunft determiniert) und nun keine andere Wahl mehr zu haben, als es darauf beruhen zu lassen, da eine Nachkorrektur der getätigten Aussagen nicht möglich ist. Was möglich ist, ist lediglich das Verwischen der Positionen, indem er beispielsweise nachträglich gemachte Aussagen von sich aus löscht, die er in sozialen Medien hinterlassen hat und die nicht authentisch waren. Dieses Verwischen ist auch eine Belästigung für das Geliebte Subjekt denn es ist oftmals auch eine Kontaktaufnahme (es zeigt, dass die Nachrichten den Liebenden noch beschäftigen, obwohl sie das nicht sollten, wenn er authentisch war), aber es fühlt sich im Gegensatz zu dem „stehen lassen“ des Gesagten authentisch an, denn es offenbart unter anderem, dass man nicht mehr diese Meinung/Haltung hat, lässt jedoch offen, wie man es stattdessen sieht. Das Löschen ist insofern immer ein Notausgang aus einer verfahrenen Situation.

Das Löschen von Nachrichten ist zwar schmerzlich, aber nicht so schmerzlich für den Liebenden wie das Zurücklassen von falschen Informationen. Denn im Bezug auf die hier beschriebene Art zu lieben muss man den anderen kennen und gelöschte Informationen sind für den Liebenden weniger Distanz im Bezug auf die gefühlte Liebe als falsche Informationen. Man ist dem Anderen näher, wenn keine falschen Worte dazwischenstehen.

Das sich Vertragen und Aussöhnen ist dem Anderen fremd. Er will keine Verträge eingehen mit einem Menschen den er abstoßend findet. Der Andere (das Geliebte Subjekt) fürchtet jene, die mit Ansprüchen oder Versprechen (siehe: Pat Benatar: no promises, no demands – Love is a Battlefield) auf ihn/sie zukommen, so weist er jene zurück und diese werfen sich dem geliebten Subjekt dann auf entwürdigende Weise vor die Füße oder möchten einen Deal machen, der eine Ordnung herstellt mit der sie sich dann abfinden können. Denn ein Vertrag ist auch eine Art von Beziehung. Aber nicht mal dies bekommt man vom Anderen (dem Geliebten Subjekt), denn dieses lehnt jegliche Art der Beziehung ab, die dem Anderen das Gefühl geben könnte er wäre auch nur irgendwie entfernt wichtig oder relevant für das geliebte Subjekt (aber nicht absichtlich, sondern wegen der Treue zur Würde).  Für den Liebenden stellt es sich nicht so dar, als hätte er Ansprüche oder Versprechen sondern er fühlt in sich einen Drang mit dieser Person in Kontakt kommen zu wollen, der aus seiner Sicht authentisch ist, denn er kommt aus seinem Unbewußten (es ist eine körperliche Reaktion: Verliebtheit, Limerence,…). Eines macht das Geliebte Subjekt authentischerweise jedoch nicht – „das Töten der Delphine“. Soll heißen: jene Situationen in denen der Liebende authentisch war, werden belassen und dürfen sein (siehe: Луна – Dolphins: И твоих дельфинов я бы не убила Я же обещала, я же говорила).

Was sind dies für Stimmen im Unbewußten des Liebenden, die sich lautstark zu Wort melden und die Kontrolle des Körpers übernehmen wollen? Sie wollen ihn dazu bringen, die eigene Würde aufzugeben. Sich dem geliebten Subjekt vor die Füße zu werfen, was aber nicht möglich ist, denn es droht das Damokles-Schwert des finalen Wertverlusts, der reziprok erfolgt in mehreren kleinen Schlagabtäuschen, die dann regelmäßig folgen, so wie bei einem Schachspiel lässt sich das Matt bereits einige Züge im Voraus erkennen. Die Stimmen weinen und jammern und das Schachmatt ist erkennbar, welches erfolgt, wenn man den Stimmen nachgibt. In der entgegengesetzten Richtung sieht der Liebende die Entscheidung diese jammernden Stimmen in ihm komplett auszublenden und als „reaktionärer Herrscher“ darauf zu reagieren, dass das Geliebte Subjekt ihm bewiesen hat, dass es über diese Stimmen bereits eine Macht über ihn hat. Dieser reaktionäre Weg führt in die Trennung und Verdrängung der Kränkung, jedoch auch in das Verdrängen der möglichen Lernerfahrung in das Unbewußte (und er wäre dann auch kein Liebender mehr). Der Liebende ist zu eng mit seinem Unbewußten verbunden. Er kann nicht einfach (wie viele andere Menschen es können) eine Kränkung oder Erfahrung beiseite lassen, denn es würde die Integrität seiner Innenwelt beschädigen und er möchte immer „ein ganzes“ bleiben und nicht fragmentieren. Er möchte integrieren und wachsen und nicht traumatisiert Teile seiner Selbst abstoßen, da sie ihm sonst weh tun. Also: wenn er sich selbst nicht mit der Absurdität konfrontiert, so verliert sie ihren Sinn (siehe „Albert Camus – Mythos des Sisyphos“). Der dritte Weg den der Liebende für sich sieht, ist somit, den Zustand des Abgelehnt werdens dauerhaft am Brodeln und im Bewußtsein zu behalten. Diese Situationen sind in der Psychologie als „Kränkung“ bekannt. Der Liebende kann die Absurdität und die Auseinandersetzung mit ihr nicht einfach ausblenden, da er ihrer angesichtig geworden ist und er diesem Angesichtig werden in keinem Fall untreu werden will. „ich habe sie gesehen und habe sie als wunderschön empfunden und nun soll ich sie von mir stoßen und alles vergessen, damit würde ich einen Teil von mir selbst abstoßen“.

Einschub hierzu: Dem gegenüber steht die dritte Partei: „das Netz“. Das Unbewußte, dass in unseren Zeiten nach aussen gestülpt wird und der Kontrolle von anderen Menschen und dem Geld/Machtfluss dieser Parteien untersteht. Seien es Dating-Plattformen oder Videoplattformen. Da wo der Austausch möglich ist, ist es möglich dass Zustände zwischen dem Geliebten Subjekt und dem Liebenden wahrnehmbar werden und sich dem jeweils anderen in einer gekürzten Form offenbaren, die trügerische und falsche Schlüsse zulassen kann. Wenn der Liebende sich nun dafür entscheidet, den Zustand des Abgelehnt werdens, dauerhaft am Brodeln und im Bewußtsein zu behalten und er dies authentischerweise auch nach außen hin als Teil seiner Identität vertreten wird, so werden diese Plattformen die Botschaft über seinen Zustand möglicherweise auch zu dem Geliebten Subjekt transportieren. Und es ist der Willfährigkeit dieser Plattformen überlassen, wie die Botschaften dann letzlich ankommen. Wie kann dies verhindert werden? Sollte der Liebende lernen schweigsam zu bleiben?

Das Gefühl der Machtlosigkeit für den Liebenden: wenn man nach einem Ausweg sucht und das schmerzliche Gefühl hochkommt: „ich bin ihr ausgeliefert; und dies ist absurd, denn ich bin ein eigener Mensch dessen Körper allein schon in der Lage ist ohne sie zu leben und doch zeigt mein Gebährden, dass ich imaginär eine Verbindung zwischen uns heraufbeschwöre, die sich als Abhängigkeitsverhältnis offenbart und sie ahnt es; sie weiß dass ich trotz meiner ganzen Scharade den Kontakt mit ihr immer in diese -dumme Richtung- lenken werde, dass ich ihr Macht übergebe und dann haben möchte, dass sie diese Macht in meinem Sinne für meine Träume oder Wunschvorstellungen nutze, welche mir bestätigen sollen, dass es nicht so ist oder wird (die Kränkung), wie es in der Kindheit schon mal ursprünglich in einem solchen besonderen und intimen Kontakt erlebt wurde“. Dem Liebenden wird in wechselseitigem Austausch mit dem geliebten Subjekt bewusst, dass sie „fähig“ ist ihm das Gefühl zu geben einer Frau wirklich auf Augenhöhe zu begegnen (nicht nur das oberflächlich anziehende), denn er hat es erkannt: er wurde von ihr durchschaut in seinem Verhalten welches er sogar vor sich selbst verdrängt hat. Sie durchschaut, dass er sich selbst mit ihr ein Theater aufführt, dass bestätigen soll, dass er nicht erneut abgewiesen wird. Indem er immer wieder Macht versucht auf sie zu übertragen und dann testet ob sie diese Macht in seinem Sinne einsetzt und wenn sie dies nicht tut, so rudert er wieder zurück und tut so, als wäre es ihm ja doch alles egal.

Tatsächlich ist der Liebende ja äußerlich erwachsen geworden, hat aber diese Momente und Erlebnisse der Abweisung aus der Kindheit mitgenommen und sobald er eine Frau trifft, von der er meint, dass diese Frau das Ereignis der damaligen Ablehnung spiegeln kann, so dass er es endlich schaffen kann das damalige Erlebnis final zu lösen, indem genau so eine „Art“ von Frau das bestätigt was er sich früher immer gewünscht hat, so setzt er dann dieses Spiel in Kraft ohne es bewußt zu wollen.

Aufgrund der vielen vorherigen Erfahrungen sucht er nach Wegen, dies möglichst schmerzfrei lösen zu können, wenn es wieder nicht klappt. Am meisten bewährt hat sich das „Einfrieren“, welches die finale Ablehnung nicht auslöst, sondern vor der finalen Eskalationsstufe hinterlässt er die Situation des Kontakts in einem absurden, verwischenden Zustand, von dem er hofft, dass er der Verurteilung entkommen kann und es sich so wie eine Art Balance anfühlt, denn er hat es einmal geschafft wo es sehr wichtig war es so zu handhaben und nun sieht er es als bewährte Methode an. Oder aber: er mahnt sich selbst nicht zum Stalker zu werden. Zu leicht könnte man meinen, sein Verhalten wäre „passiv-aggressiv“, da es dem geliebten Subjekt wie ein Vorwurf vorkommen mag. Doch der Liebende erwartet in den meisten Fällen eigentlich nur, dass eine Art „Aussöhnung“ stattfindet, dass man übereinkommt, eine Übereinkunft findet und einen „Vertrag“, sich also verträgt. Doch er sucht sich genau jene Art von Frauen aus (unbewußt), die sich nicht vertragen und die ihn final ablehnen, wenn er es darauf ankommen lässt. Das Wissen darüber, dass es so sein wird, bringt die zusätzliche Absurdität hinzu, dass der Liebende sich „cringe“ fühlt. Er schämt sich dafür. wie er ist und dass er wie ein Drogensüchtiger auf die Jagd nach einem Kick geht und er sich selbst vormachen muss, dass es nicht so wäre.

Parallel zu diesem ganzen absurden, ist jedoch zumeist auch Ahnung einer möglichen Verbundenheit (platonisch) mit dem Geliebten Subjekt auf einer unerreichbaren und nur ahnungsweise wahrgenommen Ebene für ihn sichtbar. Er denkt dann selbst: „aber ich weiß doch, dass ich ihr mehr zu sagen habe und uns mehr verbindet, als nur dieses absurde Theater. Genau nach diesen platonischen Dingen habe ich doch schon in der Kindheit bei der ersten Kränkung gestrebt und nie Zugang bekommen“.

Rubayat 51:
The Moving Finger writes: and, having writ,
Moves on: nor all thy Piety nor Wit
Shall lure it back to cancel half a Line,
Nor all thy Tears wash out a Word of it

Die finale Bestätigung nicht erhalten zu wollen, dass man Fehl am Platz ist (falsch in den Augen des Anderen). Nicht fehlerhaft (alle Menschen haben Fehler und Schwächen), sondern präzise gesagt, genau falsch in diesem Kontakt mit dem geliebten Subjekt. Fehl am Platz als Verlorener und Betrüger, denn der Trug liegt darin, dass man dem Anderen vormacht, dass man ihn (den Anderen) sucht, doch für den Anderen wird es offensichtlich, dass man gerettet werden will. So ist kein Kontakt unter Gleichen möglich, sondern der Liebende kommt mit der Vorstellung von einer Beziehung heran, die auf Abhängigkeiten und Machtverteilung basiert und versucht dies vor sich selbst und dem Anderen zu verbergen.

– Der Liebende ist hier jemand, der nach einer „bedingungslosen Liebe“ sucht; jemanden der ihn nicht abweist auch wenn er so ist wie er ist (manchmal voller Wiedersprüche, ausweichend, unverfänglich, …). Primär ist er derjenige der geliebt werden möchte, oder er veräußert seine Zuneigung auf eine Art und Weise die beliebig ist.
– Das Geliebte Subjekt ist hier jemand, der nach einer „bedingungsvollen Liebe“ sucht, in der man sich selbst und den anderen kennenlernt und immer präziser und genauer weiß, was für ein Mensch der andere ist. Sie möchte das Erlebnis eines wechselseitigen Kümmerns um Menschen, die einem in ihrer Gänze etwas bedeuten und angehen.

Das Geliebte Subjekt zeigt dem Liebenden, dass die wahre Liebe (bedeutungsvoll und daher schmerzhaft als auch freudvoll) die „bedingungsvolle Liebe“ ist. Doch diese ist auch eng mit der Gefahr der Ablehnung verbunden und somit wählt der Liebende die „bedingungslose Liebe“ immer als Rettungsanker, wenn er sich der Situation nicht gewachsen fühlt.

Wenn das Geliebte Subjekt offenbart, dass es auch in der Absurdität bleibt, so freut dies den Liebenden; denn es zeigt: dass er nicht vollends abgelehnt/abgewiesen wurde, sondern nur für jene Teile abgewiesen wurde, die da waren: Ansprüche, Erwartungen. Da es aber zu keiner Aussprache kam, bleibt dies ungewiss, hat den Liebenden jedoch insofern in eine Ruhesituation verbracht, in welcher er nun auf sich selbst zurückgeworfen bleibt und die zwanghaften Stimmen nicht mehr hört, die ihm die Ansprüche und Erwartungen sagen. Er ist in einer Art Traumwelt (Land of make believe), denn er ist im Erkennen der Wahrheit noch in einer Lüge/Hoffnung verhaftet dass es immer noch zu einer Aussöhnung kommt bzw. bereits zu einer Akzeptanz/Toleranz kam. Die Komplexität der Zusammenhänge sorgt jedoch dafür, dass er es (in der Absurdität) auf sich beruhen lassen muss weil er es einfach nicht durchschauen kann. Er spürt in sein Unbewußtes hinein und fühlt: „ja es passt, ich fühle mich einigermaßen ok mit der Situation“. Der Liebende kann sich somit zufrieden geben, wenn er sich selbst vormacht dass er in der Distanz des Kontaktverlustes auf bestimmte Weise doch akzeptiert wurde. Sei es dadurch, dass er nicht geblockt wurde, dass nicht alle seine Nachrichten in sozialen Medien gelöscht wurden.Er fühlt sich dadurch dann wieder in seinem Selbstwert gestützt. Es fühlt sich für ihn so richtig an und er fühlt dadurch Dank für das Geliebte Subjekt dass es dort, wo Wert gegeben war, diesen Wert dagelassen hat.

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