Erzählungen von der neuen Welt.

Roter Mond über dem Kornfeld

Roter Mond über dem Kornfeld – Vom Hügel aus sah man in der ankommenden Dunkelheit das Bild des umwölkten Himmels. In einer großen Lücke zwischen den tiefhängenden Wolkenschwaden zeigte sich der Mond. Er war sehr groß in dieser Nacht und unter ihm zogen sich die zähen Wolkenmasse dahin, am Hügel vorbei, in eine unbekannte Ferne hin.

Ein Krähe zog langsam mit ihren ungewöhnlich laut flatternden Schwingen über das Kornfeld hinweg, dass sich am Fuß dieser Hügel befand und ließ sich auf dem Dach eines alten Gutshauses nieder, indem viele Lichter brannten und Leute zu Musik tanzten und sich in wildem Treiben einem Feste hingaben. Der Vogel neigte den Kopf hin und her und beobachtete kritisch wie draußen im Kornfeld einige bunte Lichter flackerten. Er putzte sich das Gefieder und lauschte den Geräuschen die von unten aus dem Haus ertönten.

Die Kinder der Familie spielten unterdessen noch zwischen den hohen Kornähren. Wie das friedliche Flackern ihrer kleinen Lampen sich sanft im Winde des dunklen Nachtwindes wiegte. So wiegte sich die alte Dame in ihrem Schaukelstuhl auf der Veranda des alten Gutshauses.

Rastlose Wege zeichnete der Mond auf seiner Oberfläche. Beim genauen Betrachten sah es die alte Dame, als sie blickte, hinauf zu dem Mond. Sie ließ ihren Blick über die Oberfläche des Mondes schweifen und rückte sich kritisch ihre Brille zurecht. Folgte ihr Blick dann einem unsteten Ziel über die Kornfelder hinauf zu den Hügeln – doch ihre Augen waren schon zu getrübt von ihrem harten Tagwerk.

Wo die Hügel sich hoben über dem Kornfeld, streckte sich ein Weglein auf dem Runde der Hügel in die Ferne. Es waren sanfte runde Hügel, so hatten sie vielleicht ihren Ursprung in den alten Gräbern der Ahnen und unter dem grünen saftigen Gras ruhten noch tapfere Ritter die einst in der Vergangenheit dieses Land beschützt hatten.

Einzig ein Bach gluckerte leise am Rande des Wegleins, um unten schließlich das Kornfeld vom Hügel zu begrenzen. Ein Schlurfen zog Sand über die Erde … wie ein Schärfen einer rostigen Klinge drang der Ton aus den Schatten im Walde hinter den Hügeln. Der Wald am Fuß des großen schroffen alten Berges der von den Menschen gemieden wurde. Ein plötzlicher Windstoß ließ einen schwarzen Umhang flattern. Roter Mondschein warf die Schatten der kleinen Gräser in surrealem Licht auf den Weg. Ein unwirkliches Bild. Verschluckt waren die Laute der Kinder hier oben auf dem Weglein vom Hügel. Auf dessen Spitze stand nun eine Gestalt, die dort zuvor nicht gewesen war.

Eine Nicht-Gestalt … blitzen von Zähnen und Augen im Rotschein. Ein Grinsen das einem ins Mark ging. In seinen Tiefen lag die Freude an einem alten Spiel.

Die bunten Lichter von Arthus, Simon und Julia hat der Papa ihnen gebastelt. So spielten sie froh mit dem Geschenk um die Auferstehung des Jahres zu feiern und die Erntezeit einzusingen. Wie lange es dauerte war dem kleinen Simon nicht bekannt. Er hatte schon fast seine Brille verloren als Arthus ihn zu doll beim Fangen spielen gepackt hatte. Julia hatte nur danebengestanden und mit unschuldigem Blick mit dem Kopf hin und hergewackelt. Einen kleinen Stoffbären in ihrer Hand hielt sie ganz fest, denn der rote Mond war ihr nicht geheuer.

Die rote Farbe die auch zwischen ihren Beinen austrat vor kurzer Zeit als der Mond voll war das erste mal. Ob es da einen Zusammenhang gab. Sie hatte Angst es zu fragen und lag des Nachts wach in dem großen Zimmer mit den drei Betten in dem alten Gutshaus. Die Wände aus dem runden Holz waren im Winter kalt gewesen und auch ihr Gemüt wartete sehnsüchtig darauf, dass wieder die Zeit des Spielens kommen konnte, die der Frühling verhieß. Doch kürzlich erst sagte der Vater, sie müßte schon diesen Frühling auf dem Feld mitarbeiten.

Die große Gestalt schritt lange aus und war bekleidet wie es das Land verbot. Im schwarzen Umhang verborgen war eine junge Frau. Sie trug eine weiße Perrücke und aufreizendes Geschmeide. Hinab auf dem Hügel schritten ihre Stiefelschritte und in all dem Künden der Auferstehung erschien ihr Blick wie eine Verheißung darauf.

Die alte Dame erkannte nun dass jemand auf dem Weg zum Haus war. Der große Schäferhund ließ ein lautes Bellen ertönen, war jedoch angekettet. Sie stand mühsam und langsam aus dem Schaukelstuhl und ließ ihre Tagesdecke abwesend zu Boden gleiten. Was war dies für ein Besucher der sich mit so komisch schwankendem Schritt näherte. Der Alten waren noch gut die Geschichten von Dämonen und der unheiligen Lilith bekannt, welche Adam einst versuchte zu verführen und verstoßen wurde. In tiefer Sorge rief sie hinüber zur Haustür nach der Familie, dem Vater und dem großen Bruder. George kam mit der Flinte in der Hand heraus. Er hatte seine Uniform an, denn er war erst vor kurzem für die Armee ausgewählt worden. Sie blickten nun in Richtung des langen Wegleins das vom Hügel her hin zum Haus führte und George erkannte auch die Gestalt aber reagierte mehr mit Grimm und Wut, als mit Angst.

“Teufels Weib! Bleib unserm Hof fern, sag ich… sonst spürst du meine Flinte”

Im Nachtwind wehte das Gewand und die Gestalt ließ ihre Hände an ihre Schultern hinaufgreifen und der schwarze Umhang fiel in Falten auf den Boden. Roter Mond auf weißes Haar. Im lila Licht schien das Gesicht der jungen Frau besonders verführerisch und der junge Mann musste zwinkern bevor er sich die Augen rieb. Sie ließ ihr böses Lächeln aufblitzen und senkte ihren Blick. Als George die Augen wieder auftat, war der Weg leer und schroff sah er nur den hohen düsteren Felsen in der Ferne von dem sich der Bach in die Tiefe goß, weit versteckt in der Dunkelheit war die Spitze.

Im Kornfeld strich der Mond nur noch schwach durch die Kornähren. Die Kinder waren des Spiels müde geworden und wollten sich gerade auf den Weg zurück zum Haus ihrer Geburte machen, als plötzlich ganz leise ein zauberhafter Gesang ertönte.

Ihr jungen süßen Kinderlein,
ich sah euch in dem Mondenschein
ihr seid das jüngste Leben
in dieser ganzen Wirklichkeit

Ich spiel mit euch das Spiel
Ihr folgt mir und sollt sehen
was ich vor euch verstecke
ihr jungen süßen Kinderlein

Oh dieses dunkle Leben
ihr kennt noch nicht den Schmerz
ihr folgt mir in die Tiefe
und kostet dann mein Herz.

Die letzten Worte verhallten mit flüsterndem giftigem Ton. Gleich darauf verschwand der Mond hinter den Ähren. Es ward nun ganz dunkel.

Julia vergrub ihr Gesicht in den Händen und kauerte am Boden. Simon rief ängstlich nach seinem großen Bruder und ließ die Laterne auf den Boden fallen. Das bunte Papier brannte im Feuer und hinterließ nur einen farbigen Teppich im braunen Erdenboden. Das waren die Farben die er sich selbst ausgesucht hatte als der Vater ihn fragte, welche Lampe er wählen wollte.

Doch wie das Unheil auch sein mochte, Arthus packte die beiden bei den Armen und zog sie mit sich, er wollte sicher nicht vor einer Frauenstimme kapitulieren. So etwas würde ihm der Bruder und der Vater sicher nachsehen. Er mußte stark sein und die anderen beiden in Sicherheit bringen. Als Julia mitgezogen wurde vergoß sich der heiße Wachs auf ihren Händen uns sie schrie auf und fing an zu weinen. Nur Arthus hatte noch seine Lampe bei sich und sie rannten etwas schneller los in die Richtung wo sie das Haus vermuteten. Doch plötzlich half nur noch scharfes Bremsen, sonst wären sie in den Fluß gefallen. Es gurgelte und bluberte vor ihnen und im Schein der kleinen farbigen Lampe konnten sie in dem Wasser des Flußes im bläulichen Licht ein Gesicht erkennen.

Mein Gesang ist nicht Gefahr für euch
seit auf der Hut ihr Kinder

Noch nicht lang dreht sich die Welt
schon bald ist wieder Winter

Eure Eltern die verstehen nicht
Ihr seid doch erst geboren

Ihr müßt die neue Welt erschaffen
die im Traume sonst verloren

Steigt in das Wasser folget mir
ich lass euch neu entstehen

Sie reden viel und sagen nichts
Die Sonne ist ein Kugelblitz
Die scheint euch ein, sie brennt die Haut
Ihr denkt ich sei die Teufelsbraut
Doch Dunkelheit ist Lichtes Kraft
die Helles aus dem Nichts erschafft
Erkundet meine Dunkelheit
Ich versprech euch
die Glückseligkeit

Sie wehrten sich nicht gegen die hypnotische Wirkung die das blaue Gesicht ausstrahlte, und stiegen alle drei in den Fluß hinunter. Dann trieben sie zu dritt hinauf im veränderten Flußlauf. Hoch hinauf… vorbei an den Hügeln und dem Weglein durch die tiefen unergründeten Moosplätze des Waldes. So lagen sie jeder hinter dem anderen in dem blauen Fluß, dessen Botschaft sie hineingelockt hatte. Sie konnten nicht wiederstehen, war es doch eine Verheißung ihre vorgeschriebene Zukunft ändern zu können. Ein anderes Leben als das harte Arbeitsleben. Die Auferstehung des gleichen Tageswerks war das Fest ihrer Familie. Der Fluß entzog ihnen alle Verpflichtung und die Erinnerung…

Immer weiter hinauf trieben ihre kleinen Körper, vorbei nun an Steinböcken die hoch oben am Berg auf dem Felsspalten weideten. In luftige Höhen hinauf. Bis sogar der Berg unter ihnen verschwand. Denn das Wasser des Flußes kam ja ursprünglich aus den Wolken des Himmels und so zogen nun auch die Kinder über die Regentropfen hinauf in den Himmel. Der Himmel der neuen Möglichkeiten… in dem sich alle Dinge herausbildeten die einmal sein könnten und die dort in der Hoffnung schwelkten auf ein besseres Leben.

Und dort oben war nun dunkelste Dunkelheit. Doch allein die Sterne des ewigen Kosmos umgaben sie und sie „erwachten“ aus ihrem Schlummer. Zwar waren sie wie benommen, doch es ließ sich scheinbar aufstehen in dieser seltsamen Wirklichkeit. Es gab wohl eine Art Gesetz der Schwerkraft hier oben. Und hinter einem Haufen Sterne trat plötzlich die Frau hervor, als könnte sie die Sterne wie eine Tür leicht öffnen, tat sich ihr halber Körper hinter dieser Sternentür hervor und sie blickte sie herausfordernd an und winkte sie mit einem Finger ihrer linken Hand zu sich um ihr hinter diese Tür zu folgen.

Ihr seid nun meine Kämpfer
Ich mach euch neue Kleider

Ihr werdet mich begleiten
Und ich werde euch alles zeigen

Ich habe viele Pläne
Ihr sollt sie auch verstehen

Wir sind die tiefe Schwärze
und das Helle will uns töten

folgt mir meine Kinder,
in die Tiefe eurer Seelen

Gesetze die noch gelten
werden wir verbiegen

So sprach die dunkle Frau mit den weißen Haaren oder zumindest glaubten die Kinder diese Worte zu verstehen, als sie in ihr Gesicht sahen, welches vom Sternenkranz umwölkt war. Die Kinder folgten ihr also hinter die Türe, obwohl ihnen all das sehr rätselhaft vorkam. Sie waren einfach zu sehr gefesselt von den Augen dieser Frau. Hinter ihnen schloß sich die Türe und von unten herauf tönte der Gesang von Vögeln. Der neue Morgen brach herein und die Sonne war wieder dabei aufzuerstehen, doch die Kinder waren nicht mehr in dieser Welt der Sonne.

In der Wirklichkeit

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